Corona und die Umsatzsteuer

Corona ist für uns alle eine völlig neue Situation. Es mag noch der ein oder andere leben, der sich an die letzte große Epidemie – die spanische Grippe – erinnert, aber für die meisten Menschen fühlt sich das Leben derzeit an als sei man in einem schlechten Science-Fiction-Film gelandet.

Damit es auch den Buchhaltern und Steuerfachleuten im Homeoffice nicht langweilig wird, hatte sich unsere Bundesregierung ein Spaßprogramm ausgedacht: wie vermindern den Steuersatz.

Nun ja: das ist so ähnlich wie „Wir erhöhen den Steuersatz“, nur halt in die andere Richtung. Und das haben wir ja vor ein paar Jahren erst durchgemacht.

Damit es auch wirklich spaßig ist, wurde der Steuersatz nur für sechs Monate vermindert. Von Juli bis Dezember 2020 hatten wir 16 bzw. 5 %, davor und danach 19 und 7 %.

Zunächst einmal haben sich die Softwarehäuser gefreut. Die konnten programmieren und die Ergebnisse ihrer Bemühungen ihren Kunden in Rechnung stellen. Denn die Zeiten, in denen der Chef am Wochenende mit dem Füller die Rechnungen an die Kundschaft geschrieben und den Steuerbetrag mit dem Taschenrechner (U40) oder im Kopf (Ü40) ausgerechnet hat, sind lange vorbei.

Damit auch jeder genau wusste, was auf ihn zukam, hat uns das Bundesfinanzministerium (BMF) mit einem seiner berühmten BMF-Schreiben beglückt. Und damit auch jeder die Möglichkeit hatte, sich darauf vorzubereiten, wurde das bereits am 29. Juni 2020 veröffentlicht.

Wohlgemerkt: der verminderte Steuersatz galt ab dem 1. Juli 2020.

Die letzte Steuersatzerhöhung geschah zum 1.1.2007. Damals gab es auch ein BMF-Schreiben, das sich auch noch mit der Frage beschäftigen musste, was mit dem geschah, was in der Neujahrsnacht passiert. Wie viel Prozent beträgt die Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke, die während der Silvesterfeier konsumiert wurden? Eigentlich wäre es auf den Zeitpunkt der Zahlung angekommen (vor Mitternacht oder danach), in diesem Fall durften aber noch 16 % berechnet werden. Was mit Hotelübernachtungen und Bahnreisen in der Silvesternacht? Wen es interessiert, kann es nachlesen. Der Link steht unten.

Nun fiel der Teil ja coronabedingt weg. Die Gastronomie erleidet starke Einschränkungen, ebenso Theater, Kinos und was sonst noch so der nächtlichen Unterhaltung dient. Da haben wohl nur wenige die Nacht durchgemacht. Und auch das mit dem Reisen ist auch so eine Sache für sich.

Für mich interessanter war die Frage der Anzahlungs- und Teilrechnungen. Im trauten Gespräch mit der Steuerabteilung (Sitz: London) konnte ich gleich noch mein Englisch polieren. Und auch in diesen Fällen gilt der bewährte Grundsatz des Steuerrechts: Es kommt darauf an. Mit diesem Satz wird jedes steuerliche Problem jederzeit korrekt gelöst.

Der gewünschte Effekt der Kaufkraftsteigerung ist ausgeblieben. Dafür sind der Wirtschaft Umstellungskosten in Milliardenhöhe entstanden. Unterm Strich also ein Minusgeschäft. Aber die Erbsenzähler hatten ihren Spaß.

Seien wir mal ganz ehrlich: wer jetzt nicht gerade seine Wohnung neu möbliert, ein Haus gebaut oder ein neues Auto gekauft hat, dürfte von den Verminderungen nicht viel gemerkt haben. Bei einem Lebensmitteleinkauf (7 bzw. 5 %) von 100 EUR netto lag die Ersparnis gerade mal bei 2 EUR. Bei meinem Laptop (brutto 1.000 EUR inklusive 16 % UST) waren es 22 EUR. Davon könnte man essen gehen – sobald die Restaurants wieder öffnen dürfen.

Pech hatte ich bei meiner Stromrechnung – sie kam im Juni mit 19 %. Ein paar Tage später und ich hätte nur 16 % für den gesamten Abrechnungszeitraum zahlen müssen. Shit happens.

Anmerkungen:

BMF v. 11.08.2006 – IV A 5 – S 7210 – 23/06 – NWB Datenbank

https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/faq-mehrwertsteuersenkung-1764364